JaDe-Preis 2014 an Prof. Emeritus Takashi Hashimoto und Dr. Torsten Weber

Den JaDe-Preis 2014 erhalten Herr Professor Emeritus Takashi Hashimoto und Herr Dr. Torsten Weber.

Professor Emeritus Takashi Hashimoto (Utsunomiya), studierter Jurist und Germanist, wird für sein Lebenswerk gewürdigt. Professor Hashimoto hat sich nicht nur durch seine Brüder-Grimm-Forschung einen Namen gemacht, sondern auch durch sein unermüdliches Engagement für den Jugendaustausch, für Städtepartnerschaften und für die Belange behinderter Menschen. Nach der Katastrophe 2011 gründete er das Deutsch Japanische Synergie Forum Sanriku Fukkō. Sein Werk umfasst so mehr als fünfzig Jahre der Kultur- und Wissensvermittlung zwischen Japan und Deutschland.

Dr. Torsten Weber (Deutsches Institut für Japanstudien, Tokyo), dessen Schwerpunkte Geschichtswissenschaft und Moderne Geschichte Ostasiens sind, wird für seine Dissertation „Embracing ‘Asia’. Japanese Asianism Discourse in a Transnational Setting, 1912–1933“ (Heidelberg 2012) ausgezeichnet. In dieser wissenschaftlichen Arbeit geht er den historischen Wurzeln des Asianismus Diskurses nach und der Frage, welche Verbindungslinien bis in die Gegenwart hinein wirken. Die Arbeit zielt auf die Entfaltung eines transnationalen Bewusstseins im historischen Aussöhnungsprozess zwischen den Ländern Japan, Korea und China.
 

Danksagung des Preisträgers 2014 Professor Emeritus Takashi Hashimoto

Sehr geehrter Herr Generalkonsul Shimazaki,
sehr geehrte Direktorin des japanischen Kulturinstitutes Frau Kiyota,
sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Pascha,
sehr geehrter Herr Dr. Bildhauer,
sehr geehrte Mitglieder der Stiftungskommission,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,

zuerst möchte ich mich bei der Stiftungskommission der JaDe-Stiftung herzlich bedanken. Es ist mir eine große Ehre und Freude, dass mir der JaDe-Preis verliehen worden ist. Als ich diese Nachricht erhielt, konnte ich erst nicht glauben, dass ich diesen Preis wirklich bekommen habe. Ich freue mich besonders, da mit meiner Person auf der einen Seite ein Wissenschaftler – aber auf der anderen Seite ein aktiver Vertreter der Japanisch-Deutschen Gesellschaften, der Basisbewegung, diesen Preis erhalten hat.

Heute möchte ich eher die zweite Seite beleuchten, da es mir scheint, dass die Möglichkeiten, durch ehrenamtliche Arbeit tiefe Freundschaften zwischen Japan und Deutschland zu schaffen, häufig zu wenig Beachtung finden. Meine lieben deutschen und japanischen Freunde, die extra hierher nach Köln zur Preisverleihung gekommen sind, aber auch die vielen, die heute nicht kommen konnten! Euch allen, die hier sind, möchte ich von Herzen für Eure langjährige Unterstützung, die Ihr mir bisher gegeben habt, und Eure Freundschaft danken! Vielen herzlichen Dank! Ich bin so glücklich, dass ich meine Freunde hier wieder sehen konnte.

Brüder-Grimm-Forschung
Ich habe mich schon lange Zeit mit den Grimm’schen Märchen und den Brüdern Grimm beschäftigt. Im Jahr 2000 habe ich ein Buch über die „Brüder Grimm und ihre Zeit“ veröffentlicht. Darin habe ich dargestellt, wie die Brüder Grimm im Hinblick auf den sozialen Wandel seit der Französischen Revolution bis zum Tod von Jacob Grimm für die Identität und Freiheit des deutschen Volkes eintraten. Darum untersuchten sie historisch die germanische Sprache, konzentrierten sich auf die Sammlung der deutschen Märchen, deutschen Volkslieder und deutschen Sagen und setzten sich mit der nordischen Mythologie auseinander. Zum Schluss habe ich das Interesse der Brüder Grimm an Japan dargestellt, das in einer Besprechung des Buches von Vasilii Mikhailovich Golovnin über die Gefangenschaft bei den Japanern deutlich wird.

Die Brüder Grimm haben in ihrem Anmerkungsband zu den Märchen auch das japanische Märchen „Die Nachtfliege“ vorgestellt. 1862 war eine japanische Delegation in Berlin. Während ihres Aufenthalts in Berlin besuchten drei Mitglieder dieser Delegation Jacob Grimm. Aber bis jetzt konnte niemand nachweisen, wer diese Besucher waren. Erst vor einigen Monaten ist ein Kästchen, das diese Japaner Jacob Grimm geschenkt hatten, aufgetaucht. Jetzt untersuche ich mit meinem deutschen Kollegen aus Kassel, ob dieses Kästchen echt ist.

Genau vor 10 Jahren habe ich mit der Übersetzung der Grimm’schen Märchen angefangen. Ende Juli 2013 erschien das Buch dann endlich auf dem japanischen Markt. Sie glauben gar nicht, wie schwierig es für einen Japaner ist, das Deutsch der Märchen und die vielen unterschiedlichen Maßeinheiten und Besonderheiten zu verstehen. Als große Hilfe erwies sich auch bei den Übersetzungen Frau Neuert, die über Skype jederzeit für die vielen Fragen ein offenes Ohr hatte. Sie war mir eine unglaubliche Hilfe. Ohne sie hätte ich die Märchen nicht so genau verstehen können. Daher möchte ich mich noch einmal herzlich bei ihr bedanken.

Ein weiteres unveröffentlichtes Buch schlummert noch in der Schublade: der dritte Band der Ausgabe zu den Kinder und Hausmärchen von Prof. Rölleke mit Anmerkungen und Original-Zitaten wartet noch auf Geldgeber bzw. einen geeigneten Verlag. Dieser Band ist vorher noch nie ins Japanische übersetzt worden – und es hat wirklich sehr viel Mühe gemacht, all die Dialekte, Latein, Altschwedisch usw. zu übersetzen. Ich habe fast alle Wirkungsstätten der Brüder Grimm besucht und sie dargestellt. Ich habe ihr Leben und ihre Werke nicht nur durch das Lesen der Büchern und Materialien, sondern auch zu Fuß vor Ort untersucht.

Die von Bodelschwinghsche Stiftung Bethel
Seit meiner Studentenzeit habe ich mit großem Interesse für die europäische Geschichte viele Bücher gelesen. Aber es war mir immer unklar, wie man in Europa wirklich lebte. Erst 2001, als ich Bethel besuchte, lernte ich die Lage der Behinderten kennen. Das war für mich ein großer Schock und ich habe viele Bücher und Material gesammelt. Fast jedes Jahr habe ich diese Anstalten besucht und besichtigt.

Die JDG Tochigi hat 2001 auch eine Partnerschaft mit der DJG Bielefeld geschlossen. Hier ist neben einer Schulpartnerschaft auch eine enge Zusammenarbeit mit den von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel entstanden. Während ihres offiziellen Deutschlandbesuches im Jahre 1993 besuchte das japanische Kaiserpaar Bethel, da die Kaiserin Michiko-sama ein sehr großes Interesse an Behindertenanstalten hat. 2005–2006 begingen wir in Japan das Deutschland-Jahr und veranstalteten eine Wanderausstellung mit Bildern von Behinderten aus Bethel in Japan. Unsere Kaiserin kam am 6. März 2006, genau am 175. Geburtstag von Friedrich von Bodelschwingh, extra zur Eröffnung dieser Ausstellung. Das war für uns eine große Ehre.

2009 veranstalteten wir eine Foto-Ausstellung über Bethel bei einem Symposium für Behinderte an der Utsunomiya-Universität und danach in der deutschen Botschaft in Tokyo. Wieder besuchte die Kaiserin diese Ausstellung. 2014 schrieb ich für die Zeitschrift der japanischen Evangelischen Kirche in Tokyo in einer Serie über die Geschichte von Bethel von ihren Anfängen bis zur Gegenwart und stellte meine Untersuchungen zu Leben und Werk von Pastor Johann Heinrich Volkening und Friedrich von Bodelschwingh dem Älteren vor. 2005, als ich in Bethel war, unterbreitete ich dem Büro den Vorschlag, in Japan eine Wanderausstellung mit Bildern behinderter Künstlern aus Bethel durchzuführen, weil im Jahr 2006 der 175. Geburtstag von Friedrich von Bodelschwingh war. Glücklicherweise erhielt ich sofort eine positive Antwort.

2006 veröffentlichte ich ein Buch über Bethel, in dem es um den Vater von Bethel und seinen Sohn Fritz geht. Bei der Eröffnung der Bilderausstellung „Gruß aus Bethel“ war unsere Kaiserin erneut zugegen. 2009 erschien wieder ein von mir verfasstes Buch über die jetzige Lage und die Geschichte von Bethel, in dem ich mich mit dem Kampf von Bethel gegen Hitler auseinandersetze. Beim Schreiben des Buches habe ich extra Paris, Berlin, Dellwig bei Unna, Tecklenburg, Bethel u.a. besucht und fast alle Orte besichtigt, an denen Friedrich von Bodelschwingh gelebt hatte. Ich habe bei der Forschung immer die Sozialgeschichte berücksichtigt.

Jugendaustausch
Ich möchte es einen besonderen Glücksfall für die deutsch-japanischen Beziehungen nennen, dass ich auf der Verbandstagung in Berlin im Jahr 2000 Frau Neuert getroffen habe. Liebe Gesa, besonders möchte ich mich bei Dir ganz, ganz herzlich bedanken. Ohne Dich wäre ich nicht hier. Frau Neuert hat mich nicht nur bei der JaDe-Stiftung vorgeschlagen, sondern auch im Jahr 2001 als Ansprechpartner des japanischen Verbandes für den Jugendaustausch als Partner zwischen Japan und Deutschland gewonnen. In den Jahren 2001 bis 2011 haben wir zusammen die Programme „Hallo Japan und Hallo Deutschland“ organisiert. Mehr als 500 japanische und 300 deutsche Studenten bekamen durch dieses Programm einen guten Einblick in das japanische Familien- und Firmenleben.

Nach der Katastrophe vom 11.3.2011 ist dieses Programm bei der Partnerkonferenz in Nara beendet worden. Stattdessen sollte ein neues Programm als Unterstützung für die Jugendlichen in Tohoku entwickelt werden. Leider haben sich die Verbände hier aus der Verantwortung zurückgezogen, und so haben wir mit vielen Freunden in Japan und Deutschland zusammen das Deutsch-Japanische Synergie-Forum gegründet. Seit 2012 veranstalten wir gemeinsam mit deutschen und japanischen Wissenschaftlern die Summer-School für den Wiederaufbau an der Sanriku-Küste. Die nächste Summer School wird dieses Jahr im September stattfinden – und ich hoffe sehr, dass alle hier im Saal Anwesenden kräftig Werbung unter den Jugendlichen machen werden.

Obwohl die Sanriku-Küste zum Nationalpark deklariert wurde, hat die japanische Regierung entschieden, bis zu 15 Meter hohe Betonwälle zu bauen. Und das obwohl namhafte Wissenschaftler weltweit gesagt haben, dass diese Wälle bei einem vergleichbaren Tsunami nicht wirksam sind. Es gab eine große Protestwelle in Japan, diese Entscheidungen rückgängig zu machen. Und wir haben mitgeholfen, erste Erfolge zu erringen. Zusammen mit dem ehemaligen Premierminister Hosokawa und dem in Deutschland sehr bekannten Biologen Prof. Dr. Miyawaki Akira werden wir an der Sanriku-Küste Bäume pflanzen – anstelle von Betonwällen. Wichtig bei den neuen Planungen ist das Gespräch mit den Bewohnern vor Ort. So werden wir dieses Mal in Kesennuma, Otsuchi und Taro gemeinsame Workshops mit den dortigen NGOs abhalten.

Miyazawa Kenji hat schon vor über 100 Jahren weit in die Zukunft geschaut und geschrieben, dass die Menschen zukünftig Energie von der Sonne und dem Wind nutzen müssen und in Einklang mit dem Meer und der Natur leben müssen – deshalb soll die Märchenstraße auch gleichzeitig eine Straße der erneuerbaren Energien und ein deutsch-japanisches Projekt auf diesem Gebiet sein. Wir bauen die Märchenstraße nicht nur für den Tourismus, sondern wegen des Zusammenlebens mit der Natur. Dadurch können die Bewohner vor Ort wieder Hoffnung schöpfen, hier weiter zu leben zu können. Gerade die Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima haben unter der großen Katastrophe vor drei Jahren sehr gelitten. Der Wiederaufbau kommt nur schleppend voran. In Zukunft möchte ich gern viel mit den Bewohnern vor Ort sprechen und mit ihnen noch praktisch arbeiten, d.h. dass ich interdisziplinär durch die Zusammenarbeit mit meinen KollegenInnen und den Bewohnern das oben genannte Projekt in Tohoku durchführen möchte. Jetzt ist es höchste Zeit, wirklich zu arbeiten. Dadurch können wir Hoffnung schöpfen. Das finde ich schon multipolar.

Zum Schluss möchte ich erwähnen, dass die Brüder Grimm mit der Sammlung der Volkslieder in Deutschland angefangen, dann die Volksmärchen gesammelt und sich dann wissenschaftlich mit der deutschen Sprache befasst haben, weil die echte Wahrheit sich immer – wie man in Japan sagt – unter den Sohlen des Menschen findet. Danach haben sie sich noch tiefer und breiter bei der wissenschaftlichen Untersuchung mit Sprache, Märchen, Sagen, Volksliedern, nordischer Literatur, Runenschriften, deutscher Mythologie, Weistümer, deutschen Rechtsaltertümer usw. immer tiefer und multipolar beschäftigt, um die Identität des deutschen Volkes zu finden und wieder zurück zu gewinnen. In ihren Originalanmerkungen zu Kinder- und Hausmärchen haben sie die Märchen der ganzen Welt überblickt.
 

Danksagung des JaDe-Preisträgers 2014 Dr. Torsten Weber

Sehr geehrter Herr Generalkonsul Shimazaki,
sehr geehrte Frau Direktorin Kiyota,
sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Professor Pascha,
sehr geehrter Herr Dr. Bildhauer,
sehr geehrte Mitglieder der Stiftungskommission und der Stiftung,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr darüber, heute hier sein zu dürfen und einen der beiden JaDe-Preise 2014 entgegennehmen zu dürfen. Ich bin der Stiftung und der Kommission für den Preis zutiefst dankbar. Vielen herzlichen Dank für diese Auszeichnung!

Ich möchte Ihnen und mir nun nicht die festliche Laune damit verderben, dass ich Sie mit Details aus meiner Dissertation quäle. Ich erlaube mir, nur kurz einmal die wichtigsten vier Thesen meiner Dissertation zum japanischen Asienbewusstsein anzureißen. Vier Thesen klingt viel, aber ich verspreche: sie passen in nur zwei Sätze. In dem von mir hauptsächlich untersuchten Zeitraum – ungefähr die Taishō-Zeit – änderte sich das japanische Bewusstsein von Asien von einem fremd- zu einem selbst-referentiellen, von einem fremd- zu einem selbst-definierten, von einem peripheren zu einem zentralen und von einem weitestgehend negativen und negierten zu einem allgemeinhin positiven und affirmierten Konzept. Doch diese „Umarmung“ Asiens – daher der Titel meiner Dissertation – war nicht immer, oder sogar eher selten, eine Umarmung in Freundschaft und Solidarität. Oft war sie widerwillig, scheinheilig oder so einseitig aufdringlich, dass sie einer Strangulierung des Umarmten durch den Umarmenden gleichkam.

Der Fokus meiner Arbeit liegt auf Japan, doch der japanische Asiendiskurs ist schwer zu denken ohne die Einbeziehung derer, über die diskutiert wurde: Japans asiatische Nachbarn als interne Bezugspunkte und der sogenannte Westen oder „Euro-Amerika“ als externen Bezugspunkt. Ich freue mich ganz besonders, dass nun im zweiten Jahr nacheinander eine historische Arbeit ausgewählt wurde, die die Geschichte Japans bewusst in einen transnationalen Kontext stellt, der auch andere Länder in Ostasien sowie den Westen mit einbezieht.

Transnationale Geschichte ist mittlerweile in der Geschichtswissenschaft ein etabliertes Feld. Die Japanologie transnational zu denken oder zu verorten, mag dagegen schwerer fallen. Natürlich auch, weil das Fach Japanologie sich eigentlich per se national definiert, nämlich als wissenschaftliche Beschäftigung mit Japan. Dass diese wissenschaftliche Beschäftigung mit Japan national definiert beginnt, nämlich mit dem Erlernen der Sprache Japanisch, versteht sich von selbst. Sie muss aber nicht dort stehen bleiben, sondern darf auch über nationale Grenzen hinweg schauen, vergleichend und verknüpfend analysieren, neugierig bleiben für das, was zum Beispiel in Korea oder China passiert. Dies ist meiner Meinung nach besonders wichtig in Zeiten wie heute, wenn man in Japan lebend keine Zeitung aufschlagen oder keine Nachrichten anschauen kann, ohne von Regierungsseite belehrt zu werden, was Japan vorgeblich so einmalig macht. Und zwar: einmalig schön (Stichwort utsukushii kuni) und einmal gut (Stichwort Nihonjin de yokatta).

Morgen wählen die Menschen in Tokio einen neuen Gouverneur und es wäre für viele ein aufmunterndes Signal, wenn die Tokioter ein Gegengewicht setzten zur Allmacht der Zentralregierung. Diese hat, wie Ihnen bekannt sein wird, nicht nur ein Sicherheitsgesetz ohne Chance auf eine breite öffentliche Diskussion durchgepeitscht, das den freien und kritischen Journalismus einschüchtert; neue Regeln erlassen für patriotische Erziehung, die keinen Spielraum lassen für eine Annäherung an die Positionen Chinas oder Koreas; und schließlich einen NHK-Vorsitzenden installiert, der die sogenannten Trostfrauen für das Normalste der Welt hält und seinen Sender zu einem Sprachrohr der Regierung umgestalten möchte. „Ich habe die Hoffnung verloren“, sagte mir letzte Woche der Initiator einer Gruppe engagierter Geschichtslehrer an japanischen Schulen. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, aus lokalen und regionalen Bezugspunkten heraus, Schülern die größeren Zusammenhänge der Weltgeschichte näherzubringen. „Nein“, habe ich ihm entgegnet, „solange es engagierte Menschen wie Sie in Japan gibt, brauchen wir die Hoffnung nicht zu verlieren“. Als er die Hoffnung noch nicht verloren hatte, schrieb er in einem Leserbrief an die Asahi-Shinbun, dass die Japaner heute sich ein Beispiel nehmen sollten an Miyazaki Tōten. Tōten gilt als „sentimentaler Asianist“ und ein aufrechter Freund Chinas. Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert unterstützte er den chinesischen Revolutionär Sun Yat-sen.

Ja, es gab eine solidarische Haltung gegenüber Nachbarn, die das hegemoniale und eigensinnige Streben von Staatsmännern bloßstellte. Und es gibt auch Wissen und eine Erinnerung an diese Zeit und an diese Spielart des Asianismus, was vor allem damit zu tun hat, dass ein japanischer Sinologe namens Takeuchi Yoshimi nach dem Krieg sein Bestes tat, den Japanern eine positive Wiederbeschäftigung mit Asien und ein ehrliches und offenes Bekenntnis zu Asien von Neuem zu ermöglichen.

Vor fast genau einem Jahr hat der koreanisch stämmige Autor und Professor Kang Sang-jung in seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Tokio ein Zitat des berühmten Politikwissenschaftlers Maruyama Masao so umgewandelt, dass aus Maruyamas Bekenntnis zur Nachkriegsdemokratie in Japan ein Bekenntnis zu einer ostasiatischen Gemeinschaft wurde: „Eher als auf die Wahrheit des Nationalismus setze ich auf die Illusion der nordostasiatischen Gemeinschaft. Sie wird kommen“, sagte Kang im März 2013. Angesichts deutlich sichtbarer Integrationsprozesse auf wirtschaftlicher Ebene stellen sich aber nicht wenige die Frage, ob das neue Asien oder eine ostasiatische Gemeinschaft anstelle des historischen militärischen Imperiums nun ein Imperium der Finanzmärkte wird. Prasenjit Duara und andere haben offen davor gewarnt, dass die Idee eines geeinten Asiens erneut diskreditiert werden könnte, wenn dieses Asien bloß ein „Asia for the rich“, ein Asien der Reichen, werde würde, dessen hauptsächlicher Antrieb darin bestünde, größere Märkte und billigere Ressourcen zu schaffen.

Kommen uns diese Warnungen als Europäer nicht bekannt vor? Hoffnungsvolle Zeichen sind andererseits zum Beispiel transnationale Dialoge auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Wie ich versucht habe, in meiner Dissertation herauszuarbeiten, gab es sie auch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Aber gegen das Übergewicht des Nationalismus und Imperialismus konnten sich solche Aktivitäten „von unten“ kaum durchsetzen. Als Beteiligte am kulturellen und wissenschaftlichen Austausch können wir alle – in bescheidenem Masse – dazu beizutragen, dass wir Asien (und Europa) so mitgestalten, dass es ein Asien (und ein Europa) der friedlichen Koexistenz und des fairen Miteinander wird und es nicht bei Lippenbekenntnissen und Eigensinn bleibt.

Das japanische Projekt der sogenannten Großostasiatischen Wohlstandssphäre, das so viel Leid und Schrecken für Hunderte Millionen Menschen mit sich brachte – trotz der bunten und freudestrahlenden Propaganda, die Sie hinter mir sehen – kann uns lehren, zu unterscheiden zwischen Konzeptionen von Asien (und auch von Europa), die den Menschen als Menschen respektieren oder aber die Menschen im Namen einer eigentlich guten Sache auszubeuten suchen. Damit setzt sich das Thema meiner Dissertation zum historischen Asiendiskurs in Japan fort bis in die Gegenwart und greift von Japan und Asien in andere Teile der Welt über. Wenn meine Dissertation auch in diesem Sinne gelesen und verstanden werden würde, wäre ich sehr glücklich.

Ganz am Ende bitte ich Sie, mir zu erlauben, noch kurz zwei letzte Worte des Dankes auszusprechen: ich möchte gerne meinem derzeitigen Arbeitgeber und meinem Doktorvater danken. Ich bin dem DIJ nicht nur dankbar, weil es mir die Teilnahme an der heutigen Feier ermöglicht hat, sondern weil es auch eng verbunden ist mit der Entstehung meiner Dissertation. Als Promotionsstipendiat durfte ich zehn Monate intensiv in Tokio forschen und habe dort fast das gesamte Quellenmaterial, auf dem meine Analyse beruht, beschaffen können. Dennoch wäre die Arbeit letztlich wohl nie zustande gekommen ohne die wunderbare Unterstützung und den steten Zuspruch durch meinen Doktorvater, Herrn Professor Wolfgang Seifert. Ihm möchte ich daher meinen Dank für sein großes Interesse am Thema und seine großzügige Förderung meiner Dissertation aussprechen. Ihnen allen: Vielen herzlichen Dank für diesen Preis!